Managementfokus und spezielle Gender-Maßnahmen

3 Fragen an: Dipl.-Ing. Helmut Leopold, PhD, Head of Center for Digital Safety & Security,, Gender-Beauftragter 2019 – 2021, AIT Austrian Institute of Technology GmbH, Mitglied des OVE Fem-Beirates

Basierend auf dem gesellschaftlichen und kulturellen Wandel, den wir alle durchleben, hat sich das AIT Austrian Institute of Technology als Österreichs größte außeruniversitäre Forschungseinrichtung bereits vor vielen Jahren das in jeder Hinsicht zeitgemäße Ziel gesetzt, den Frauenanteil innerhalb der Institution zu heben, Frauen auf ihren Karrierewegen zu fördern und in ihren Positionen sichtbarer zu machen. Getreu der Redewendung „Steter Tropfen höhlt den Stein“ tragen die vielseitigen Bemühungen mittlerweile sichtbare Früchte: Durch einen gesetzten Managementfokus und spezielle Gender-Maßnahmen in der Unternehmenskommunikation als auch beim Recruiting, wurden 2020 am AIT mehr Frauen als Männer angestellt.

OVE Fem: Das AIT strebt nicht erst seit gestern für alle Karrieremodelle, Berufswege und Lebensphasen intern ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Frauen und Männern an. Wie ist es gelungen, vom bloßem Strategiedokument „in der Schublade“, die intern erarbeiteten Strategiemaßnahmen im Unternehmen zu implementieren?

Dipl.-Ing. Helmut Leopold, PhD: Ganz generell besteht eine der schwierigen Managementaufgaben vor allem darin, gewohnte Abläufe und Sichtweisen in einer Organisation entsprechend zu verändern bzw. zu erweitern. Eine ganz wichtige Grundlage für die Erreichung einer damit einhergehenden nachhaltigen Verhaltens- und Kulturveränderung in einer Organisation stellt ein umfassender aktiver Diskurs dar. Strategiedokumente müssen in einer Organisation erst „zum Leben“ erweckt werden. Um dies zu erreichen, haben wir am AIT zwei wichtige Ansätze gewählt. Zum einen wurde das Gender-Management in die Verantwortung des operativen Managements gelegt: Die erste Führungsebene am AIT übernimmt diese Managementverantwortung für jeweils zwei Jahre. Zum anderen wurde sichergestellt, dass es sowohl zwischen Führungskräften untereinander als auch mit den Mitarbeitenden zu einem intensiven Diskurs über die Festlegung der mehr als 40 spezifischen Gender-Maßnahmen am AIT kommt. Jede einzelne Maßnahme wurde in unterschiedlich zusammengesetzten Arbeitsgruppen erörtert, hinterfragt und schließlich auch mit konkreten Verantwortlichkeiten hinterlegt. Somit stellt das AIT Gender-Maßnahmendokument kein theoretisches Strategiedokument dar, sondern kann von AIT Führungskräften und Mitarbeitenden nachvollzogen und auch verstanden werden. Jetzt sind wir gerade dabei, die einzelnen Maßnahmen gemeinsam mit den Mitarbeitenden auf ihre Eignung als konkrete Zielvorgaben zu evaluieren, um diese konkret in den Zielvereinbarungskatalogen für Führungskräfte auch anzuwenden. Zusammenfassend: Ein geändertes Verhalten zwischen Menschen kann nicht durch Dokumente erzwungen werden; erst durch einen aktiven Diskurs werden Verständnis und Akzeptanz erzeugt.

OVE Fem: Als eine der wirksamsten Maßnahmen, um einerseits eigene Mitarbeiterinnen für einen Karriereaufstieg zu sensibilisieren und zu motivieren und anderseits generell mehr weiblichen Nachwuchs ins AIT zu bringen, hat sich das Gender-Konzept des AIT, das die Präsentation von Testimonials auf allen Karriereebenen mittels interner und externer Kommunikation vorsieht, bewiesen. Welche sind – aus Ihrer Sicht – die wichtigsten Punkte dieses Erfolges?

Leopold: Um Veränderungen von Verhaltensweisen zu begünstigen oder Menschen neue Richtungen aufzuzeigen, sind Vergleichsbeispiele aus anderen Branchen oder von anderen Menschen eine sehr wichtige Unterstützung. Wir haben als eine der ersten Maßnahmen damit begonnen, coole Lebensläufe, spannende Projekte oder interessante Positionen von Mitarbeiterinnen am AIT aktiv in der Öffentlichkeit zu präsentieren. So etwas ist für ein Unternehmen nicht selbstverständlich. Wir haben dazu unsere prinzipielle Kommunikationsstrategie angepasst, um nicht nur das AIT Top-Management oder die AIT Spitzenforscher/innen in der Öffentlichkeit vorzustellen, sondern auch um junge Expertinnen, die vielleicht erst am Anfang der Karriere stehen, als fixen Teil der AIT Kommunikationsstrategie zu verankern und authentisch nach außen hin zu positionieren. Dies hat durch den Markt und die Stakeholder natürlich eine Wirkung auf die Außenwahrnehmung, aber vielmehr auch unternehmensintern. Es entsteht ein neuer Eindruck, der Diskussionen unter Kolleginnen aber auch unter Kollegen anregt und somit auch einen wichtigen Beitrag zum gewünschten Kulturwandel leistet.

OVE Fem: Viele neue Testimonials – insbesondere in der „Junior-Liga“ – auf die Bühne zu bringen und vielleicht auch in punkto Karriereweg die Weiterentwicklung zu beschleunigen, benötigt auch ein gewisses Maß an Empowerment. Welche Schritte und Maßnahmen setzen Sie hierfür im AIT?

Leopold: Ganz generell besteht eine besondere Herausforderung jedes Managements darin, jene Führungskräfte einzusetzen, die neben ihrer fachlichen Qualifikation auch das Handwerk des Personalführens sowie ein Gespür für die Steuerung eines Unternehmens beherrschen und – noch viel wichtiger – sich in dieser Rolle auch wohl fühlen. Dies ist für junge Mitarbeiter/innen generell Neuland und viele sind auf eine solche Rolle nicht gut vorbereitet. Nachdem das AIT Management nun auch besonders darauf hinarbeitet, weibliche Führungskräfte im AIT verstärkt zu verankern, ist es unbedingt notwendig, die am AIT tätigen Frauen dabei auch entsprechend zu unterstützen. Dazu haben wir ein eigenes „AIT Female Leadership Programme“ ins Leben gerufen. In diesem Programm müssen sich potentielle weibliche AIT Nachwuchskräfte in Schulungs- und Coaching-Ansätzen mit Fragen zu „Personalführung und Management“ auseinandersetzen. Zum einen ist dies eine klassische Weiterbildung, zum anderen wird dadurch auch die so essentielle Persönlichkeitsentwicklung gefördert. Damit fällt es einerseits leichter, für sich selbst die Frage zu beantworten, ob der Wechsel von Expertin zu Managerin auch der eigenen, persönlichen Karriere entspricht. Darüber hinaus ist man auch persönlich für den Fall der Übernahme einer Managementverantwortung viel besser vorbereitet.