Interview mit Vaska Dimitrova, MSc.

Grenzen überwinden!

„Von den Computerwissenschaften zur Energietechnik, oder: Wie ein Kindheitstraum wahr wurde“ – so oder so ähnlich könnte der bisherige Karriereweg der gebürtigen Mazedonierin Vaska Dimitrova betitelt werden.

Nach „horizonterweiternden“ internationalen Ausbildungen in Bulgarien und Amerika hat die Portfoliomanagerin in Österreich Fuß gefasst und ist seit nunmehr sechs Jahren bei der EVN AG in Maria Enzersdorf beschäftigt. Im Gespräch mit femOVEaktuell gab Vaska Dimitrova Einblicke in Studium, Arbeit und Freizeit.

 

femOVEaktuell:Ihr Berufsprofil auf LinkedIN verrät uns, dass Sie eine „erfahrene Portfoliomanagerin und Energy Trader“ sind. Wann und vor allem wie haben Sie Ihr Interesse für den großen Themenbereich „Energie“ entwickelt?

Vaska Dimitrova, MSc.: Die Leidenschaft für Energie- bzw. Elektrotechnik wurde mir förmlich in die Wiege gelegt. Mein Vater hat bereits Elektrotechnik studiert und war für die Planung und Entwicklung von Energienetzen und Kleinkraftwerken zuständig. Ich kann mich noch gut daran erinnern, dass er zu Hause beim Mittagessen von seinen Projekten erzählt hat. Als siebenjähriges Kind hat mich der Besuch eines Kleinkraftwerks derart begeistert, dass ich schon damals unbedingt Energietechnik studieren wollte.

 

femOVEaktuell: Aber Sie sind letztlich erst über Umwege zur Energietechnik gekommen! Geboren und aufgewachsen in Mazedonien, haben Sie an der „American University in Bulgaria“ in Blagoevgrad, dem wirtschaftlichen und kulturellen Zentrum Südwestbulgariens, vorerst Computer Science studiert. War das dann eine spontane Bauchentscheidung?

Dimitrova: Das ist eine längere Geschichte… Als 16-jährige Schülerin habe ich ein Stipendium des Open Society Institute Soros für ein Auslandsjahr in Washington DC, USA erhalten. Dieses Jahr in Amerika hat meinen Horizont stark erweitert und meine Denkweise international geprägt und ausgerichtet. Es war eigentlich eine pragmatische Lösung, an der „American University in Bulgaria“ weiter zu studieren. So konnte ich mit meiner Familie im Kontakt bleiben. Und weil Elektrotechnik als Studiengang nicht angeboten wurde, habe ich mich für Computerwissenschaften entschieden. Dieser Studiengang entsprach am ehesten meinem Wunschstudium.

 

femOVEaktuell: Und was unterscheidet die „American University in Bulgaria“ von den übrigen Universitäten in Bulgarien?

Dimitrova: Ich hatte hier die Möglichkeit, ein erstklassiges Studium mit internationalem Austausch zu absolvieren. Die hochwertige Ausbildung beinhaltete auch regelmäßige Praktika in den Vereinigten Staaten. Die „American University in Bulgaria“ ist international anerkannt und weltweit ausgezeichnet vernetzt.

 

femOVEaktuell: …Vernetzung ist ja gerade heutzutage ein wichtiger Aspekt

Dimitrova: Ja, auf jeden Fall! Ich konnte z. B. meine Bachelorarbeit zum Thema „Effect of transmission congestion on the volatility of electricity prices in the Nord Pool Electricity Market“ an der Georgetown Universität in Washington DC präsentieren; und am Ende des Studiums konnte ich meine erste Publikation in den „Carroll Round Proceedings“, einem weltweiten Forschungsforum für Bachelorstudenten, vor einem internationalen Publikum vorstellen.

 

femOVEaktuell: Sie haben Ihr Bachelor-Studium vor mittlerweile fast zehn Jahren abgeschlossen. Wie sah damals die Geschlechter-Verteilung im Bereich Computer Science aus und welche Vorteile/Nachteile gab es?

Dimitrova: In meiner Klasse von 30 Studierenden war ich eine von nur zwei Frauen. Es war eine interessante, aber auch herausfordernde Erfahrung. Das fachliche Niveau der Klasse war hoch und anfangs war es schwierig, als Frau von den Kollegen fachlich anerkannt zu werden. Durch Fleiß und persönlichen Einsatz konnte ich nach relativ kurzer Zeit den Anschluss finden und durchaus vorhandene Vorurteile überwinden. Am Ende des Studiums erhielt ich die höchste Auszeichnung, die „Presidental Medal“, der Klasse 2005.

 

femOVEaktuell: Ausgezeichnet! Nach Ihrem Studienabschluss haben Sie begonnen, für die EVN Macedonia AD zu arbeiten….

Dimitrova: Ich habe bewusst einen international tätigen Energieversorger als Arbeitgeber gewählt, um mich vom Fachbereich Computer Science ausgehend hin zur Energietechnik auszurichten. Die Leidenschaft für die Energietechnik ist mir ja seit meiner Kindheit erhalten geblieben.

 

femOVEaktuell: Von Mazedonien ging es dann nach Österreich: 2012 übernahmen Sie die Position einer Project Managerin bei der EVN AG. Mit welchen (völlig neuen) Herausforderungen wurden Sie hier konfrontiert?

Dimitrova: … mit der deutschen Sprache als Business-Sprache, den europäischen Elektrizitätsmärkten… Und: Die österreichische Mentalität empfand ich als sehr erfrischend :-)…

 

femOVEaktuell: Parallel zu Ihrer Tätigkeit bei der EVN AG erwarben Sie an der Wirtschaftsuniversität Wien Ihren Master-Titel im Studienfach „Quantitative Finance“. Als High Potential hatten Sie außerdem über Ihren Arbeitergeber die Gelegenheit, den Lehrgang „Innovation and Change Management“ an der Donau-Universität Krems zu absolvieren. Wie schafft man das alles zusätzlich zu einem Fulltime-Job?

Dimitrova: Dazu kann ich nur zitieren: „Die große Herausforderung des Lebens liegt darin, die Grenzen in dir selbst zu überwinden und so weit zu gehen, wie du dir niemals hättest träumen lassen.“ Das ist so ein Leitspruch von mir…

 

femOVEaktuell: Seit nunmehr 2014 sind Sie für Asset- und Portfoliooptimierung bei der EVN in der Abteilung Energiewirtschaftliche Planung zuständig. Zusätzlich bekleiden Sie die Funktion des Energy Traders bei der EVN AG. Wie darf man sich einen typischen Arbeitstag in Ihrem Job vorstellen?

Dimitrova: Ein typischer Arbeitstag beginnt mit der Betreuung und Kontrolle der produktiven Kraftwerkseinsatz-Optimierungsmodelle und Workflows, die unsere 24-Stunden-Optimierung und unseren Trading Floor unterstützen. Je nach Bedarf sind Anpassungen an Input-Zeitreihen, Modellrestriktionen bzw. kleinere Programmierungstätigkeiten für die Intraday- bzw. Day-Ahead-Bewirtschaftung vorzunehmen. Zusätzlich führe ich koordinierende Gespräche betreffend Konzeption, Implementierung und Produktivsetzung von weiteren Modellentwicklungen durch. Die Koordination und Kommunikation mit den Anwendern ist dabei sehr wichtig. Gelegentlich übernehme ich auch die praktische Abwicklung von Intraday-Handelstätigkeiten.

 

femOVEaktuell: Das klingt hochinteressant und für österreichische Verhältnisse nicht unbedingt „typisch weiblich“… „(Mehr) Frauen in die Technik!“, oder wie femOVE es formuliert: „Girls! TECH UP“ – worin sehen Sie persönlich die Bedeutung solcher Initiativen?

Dimitrova: Die Spitzenpositionen in der technisch geprägten und traditionellen Energiebranche in Westeuropa sind immer noch vor allem durch Männer besetzt. Nach aktuellen Statistiken rangiert die Branchengruppe „Energie, Wasser und Bergbau“ auf dem letzten Platz, was die Präsenz von Frauen auf der ersten und zweiten Führungsebene anbelangt. Gerade deshalb ist es wichtig, dass Initiativen wie “Girls! TECH UP“ existieren, um das berufliche Umfeld und die fachlichen Einflussmöglichkeiten von Frauen in der Energiebranche zu stärken.

 

femOVEaktuell: Können Sie das präzisieren?

Dimitrova: Ich denke, die Energiebranche kann von solchen fundamentalen Umbrüchen und konstruktiven Impulsen nur profitieren: Mit ihrer Kompetenz, ihren Erfahrungen und ihrem Engagement können die weiblichen Mitglieder der Energiebranche bei der Bewältigung der herausfordernden Probleme der Energiewende durchaus aktiv mitwirken und diese positiv ergänzen.

 

femOVEaktuell: Welche Erfahrungen haben Sie selbst als Frau in der Welt der Technik bisher gemacht?

Dimitrova: Meine Erfahrungen waren bisher überwiegend positiv. In meinen Tätigkeiten wurde ich bisher von meinen Kollegen und Vorgesetzen als Mitarbeiterin sehr gut akzeptiert und für meine Leistungen geschätzt. Ich arbeite auch sehr gerne mit Männern zusammen.

 

femOVEaktuell: Und, abschließend: Wie verbringt eine kompetente und engagierte Technikerin wie Sie ihre Freizeit?

Dimitrova: Ich laufe gerne und mache Yoga.
Ja, und Geselligkeit ist für mich auch ein sehr wichtiger Ausgleich im täglichen Leben.

 

femOVEaktuell: Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für Ihre Zukunft.