Interview mit Tara Esterl, MSc. MSc. und Dipl.-Ing. Johanna Spreitzhofer

Bei dynamischen Entwicklungen an vorderster Front dabei

Tara Esterl und Johanna Spreitzhofer arbeiten gemeinsam an einem Forschungsprojekt am AIT Austrian Institute of Technology. Gemeinsam ist den beiden Energietechnikerinnen auch ihre Zielstrebigkeit in ihrem Werdegang, auf dem sie sich gerne von Familie, Freund/innen, Kolleg/innen und Mentor/innen unterstützen ließen.

Heute „brennen“ die beiden Damen für ihre Forschung und haben ambitionierte Ziele für die Zukunft.

 

 

 

femOVEaktuell: Sie leiten gemeinsam das Klima- und Energiefonds geförderte Projekt „Flex +“. Worum geht es dabei genau?

Tara Esterl, MSc. MSc. und Dipl.-Ing. Johanna Spreitzhofer: Im Projekt Flex + wird die Flexibilität von fernsteuerbaren Verbraucherkomponenten wie Wärmepumpen, Boilern, PV-Speichersystemen und E-Mobilität und den kurzfristigen Strom- und Regelenergiemärkten vermarktet, wobei die Eigeninteressen der Verbraucher berücksichtigt werden.

 

femOVEaktuell: Was heißt das nun ganz konkret?

Esterl, Spreitzhofer: Dies bedeutet mehr Wohnkomfort, die Verringerung der Stromkosten und die Erhöhung des Eigenverbrauchs des selbsterzeugten Stroms. Das entwickelte Modell wird zunächst simuliert und anschließend im Feldversuch getestet. Die Komponenten werden sowohl direkt über Pooling-Systeme als auch über Energiemanagement-Systeme vermarktet, mit deren Hilfe alle flexiblen Komponenten in einem Gebäude auch gemeinsam gesteuert werden können.

 

femOVEaktuell: Und was würdest du als Besonderheit dieses Projekts hervorheben?

Esterl, Spreitzhofer: Eine Besonderheit stellt sicherlich die Breite der Wertschöpfungskette des teilnehmenden Unternehmens dar. Diese Angaben beziehen sich auf den IT-Anbieter, den Stromlieferanten und den Regelenergieanbieter, bis hin zu den Kunden in der Gemeinde, wo die Komponenten getestet werden, und einen Betrieb.

 

femOVEaktuell: Frau Esterl, Sie haben das Bachelor-Studium Energiewirtschaft an der FH Kufstein absolviert und an der FH Technikum Wien einen Master-Titel im Bereich Erneuerbare Urbane Energiesysteme erworben. Komplettiert haben Sie Ihre universitäre Ausbildung mit einem BWL-Studium an der Universität Wien.
Frau Spreitzhofer, Sie haben nach der AHS-Matura das Studium „Elektrotechnik und Informationstechnik“ an der TU Wien gewählt und sich für Ihren Master-Abschluss auf den Bereich der Energie- und Automatisierungstechnik spezialisiert. Auch zwei verschiedene Werdegänge, die in der Kooperation in einem gleichen Projekt mündeten. Wer von Ihnen ist im Projekt Flex + zuständig, und inwiefern gibt es fachliche Überschneidungen?

Esterl, Spreitzhofer: Wir arbeiten bereits seit dreieinhalb Jahren gemeinsam auf unterschiedlichen Projekten. Was den Erfolg unserer Zusammenarbeit ausmacht, ist das Wissen darüber, dass wir uns gegenseitig verlassen können. Bereits in der frühen Projektphase werden wir uns ein klares Bild machen, wie wir unterschiedliche Projektaufgaben entsprechend unserer Kompetenzprofile bestmöglich aufteilen.

 

femOVEaktuell: … großes wechselseitiges Vertrauen, also. Wie sieht es inhaltlich aus?

Spreitzhofer: Auch inhaltlich ergänzen wir uns super. Im Projekt Flex + ist Tara verantwortlich für die Projektleitung und zuständig für regulatorische Fragestellungen, etwa in Bezug auf Fragen zur Interaktion zwischen den verschiedenen Rollen (Verteilnetzbetreiber / Übertragungsnetzbetreiber / Aggregator / Lieferanten) und für die Gesamtarchitektur.

Esterl:… und Johanna hat den Lead bei der Modellierung und Optimierung.

 

femOVEaktuell: Ab wann war für Sie klar, dass Sie nach der Schule im Bereich der Technik Fuß fassen wollen, und gab es „Stolpersteine“, die Sie auf dem Weg durch Ihr Studium zu Ihren jetzigen Positionen überwinden mussten?

Esterl: Meine Eltern haben mich mit ihrer Begeisterung für das Thema Photovoltaik und Windenergie schon in jungen Jahren angesteckt. Wir hatten beispielsweise zuhause PV-Module und seit der Strommarkt-Liberalisierung einen nachhaltigen Stromlieferanten. Während des Studiums und beim Praktikum beim PV- und Batterie-Großhändler IBC Solar habe ich erkannt, dass nicht nur die Technologie selbst wichtig ist, sondern auch die Integration der fluktuierenden erneuerbaren Energie in das Stromnetz und in den Strommarkt für eine nachhaltige Energiezukunft. Bei meinen beiden anschließenden Werkstudententätigkeiten bei Wien Energie und beim AIT hat sich dieses Interesse weiter gefestigt und seitdem erforsche ich dieses Thema am AIT.

Spreitzhofer: Auch ich habe mich in der Schule für viele verschiedene Bereiche interessiert und begeistert, ich habe beispielsweise neben Physik auch in Latein und Religion gereift. Die Festlegung auf „nur ein“ Studium war dann gar nicht so leicht für mich. Das Talente Praktikumsprogramm der FFG. Dies war ein Praktikum bei einem Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften. Dort habe ich gelernt und auch das erste Mal einen Lötkolben benutzt - das hat mich sehr begeistert. Und seitdem bin ich von der Technik und Forschung nicht mehr weggekommen!

 

femOVEaktuell: Zahlreiche Preise und Auszeichnungen, eine lange Publikationsliste sowie einige Medienberichte zeichnen Sie beide - bereits in sehr jungem Alter - aus und zeugen von umfangreichem Wissen, viel Engagement und großem Fleiß. Müssen Sie Frauen in der Technik Ihrer Meinung nach mehr Einsatz zeigen als Männer, um bestimmte Positionen zu erreichen?

Spreitzhofer: Ich bin generell ein sehr ehrgeiziger Mensch, das war schon in der Schule so. Aber gerade in meinen ersten paar Semestern an der Uni habe ich mich extra angestrengt, um zu zeigen, dass man auch von der AHS kommend und als Frau in der Technik erfolgreich sein kann. Es gab hin und wieder die Vorurteile, dass man es bei bestimmten Professoren als Frau leichter hat oder man bei manchen Stipendien bevorzugt wird. Dementsprechend habe ich mich extra ins Zeug gelegt, um (mir selbst und anderen) zu beweisen, dass ich meine Erfolge über Leistung erreicht habe.

 

femOVEaktuell: Und wie sehen Sie das, Frau Esterl?

Esterl: Ich denke, im Berufsleben muss ich mich bei den fachlichen Themen genauso wie meine männlichen Kollegen beweisen. Herausfordernd erlebe ich, dass besondere Errungenschaften wie Auszeichnungen manchmal zugeschrieben werden, dass man eine Frau ist und diese nicht auf die Leistungen zurückgeführt wird. Daher wäre eine Unterstützung für Frauen aus meiner Sicht, dass bei Preisverleihungen insbesondere die fachliche Qualität aller Preisträger und Preisträgerinnen hervorgehoben wird.

 

femOVEaktuell: Wie nehmen Sie - selbst erfolgreich und als Frau in der Technik nicht das typische Rollenbild der Frau verkörpernd - Frauen in Führungspositionen wahr?

Esterl: Auch ich sehe eine potenzielle Herausforderung in der Führungsrolle der Frau. In der „kulturellen“ Wahrnehmung ist es immer noch schwer, dass Frauen, die viel arbeiten, trotzdem ein erfolgreiches Familienleben haben. Einer meiner geschätzten Projektmitarbeiter meinte einmal über eine viel arbeitende Kollegin, dass diese „sicher keinen Mann hat“. Umgekehrt wäre diese Aussage wahrscheinlich undenkbar…. Von mir darauf angesprochen, war mein Kollege letztlich auch sehr über das eigene Vorurteil verwundert.

 

femOVEaktuell: Und, wie könnten wir diese Vorurteilen, Ihrer Meinung nach, von vornherein entgegenwirken?

Esterl:Ich könnte mir vorstellen, dass Frauen in Führungsrollen eine gewisse Gratwanderung schaffen müssen. This problem had ich glücklicherweise bisher jedoch nicht.

 

femOVEaktuell: Sie sind beide bisher sehr zielstrebig gegangen - in wie fern waren Unterstützer / innen und / oder Wegbegleiter / innen für Sie bei Entscheidungsfindungen - z. B. welches Studium, welcher Job - wichtig?

Esterl: Gut fundierte Meinungen und eine konstruktive, kritische Außensicht von Familie, Freunden, Kolleg / innen und Mentor / innen find bei mir stets Gehör, insbesondere bei richtungsweisenden Entscheidungen. Bei meiner Studienwahl hat mich insbesondere meine Familie unterstützt. Während des Studiums habe ich meine jeweiligen Entscheidungen bezüglich des Praktikums und der Werkstudententätigkeiten getroffen. Außerdem ist mein Verlobter immer ein starker Berater bei wichtigen Entscheidungen. Heißt es nicht: „Hinter jeder erfolgreichen Frau, steht ein starker Mann?“ ;-)

Spreitzhofer: Unterstützer / innen haben für mich auch immer wieder eine große Rolle gespielt auf meinem Weg. In der Schulzeit war sicher mein Physiklehrer sehr ausschlaggebend dafür, meine Begeisterung für Technik und Naturwissenschaften zu wecken. Danach hatte mein Praktikumsbetreuer bei der Österreichischen Akademie der Wissenschaften einen großen Einfluss. Er hat dafür gesorgt, dass ich im Praktikum gefordert werde und viel Spannendes lerne, aber mir auch den Spaß an der Forschung vermittelt. Das war dann auch mit ein Grund, warum ich mich für mein Elektrotechnik-Studium entschieden habe.
Und schließlich war hier am AIT und es ist auf jeden Fall meine wichtigste Unterstützerin. Sie haben sich von Beginn an für mich eingesetzt und mich darin unterstützt, dass aus einem anfänglichen Praktikum schon während der Studienzeit eine Fixanstellung wurde. Sie hat auch darauf geschaut, dass ich schon sehr früh auf Konferenzen fahre und viele spannenden Projekte mitarbeiten konnte.

 

femOVEaktuell: Inwiefern spielen auch berufliche Netzwerke eine Rolle in bestimmten Entscheidungsfindungen?

Esterl: Jetzt ist der Job auch der Austausch mit Vertretern aus verschiedenen Disziplinen der Energiewirtschaft. Der fachliche Austausch auf Netzwerkveranstaltungen, wie beispielsweise bei dem femOVE-Netzwerktreffen, ermöglicht es mir, neue Eingaben zu erhalten, Sichtweisen zu schären und die unterschiedlichen Interessen besser zu verstehen.

 

femOVEaktuell: Sie sind beide noch sehr jung und brennen für Ihre Forschung - gibt es Visionen für Ihre persönliche Zukunft?

Esterl: Es macht zurzeit wirklich sehr viel Spaß, das Thema Flexibilität zu erforschen und bei den dynamischen Entwicklungen an vorderster Front dabei zu sein. Ein persönliches Ziel von mir ist es, im Thema Demand Response einen „Impact” zu haben. Das Team im Projekt Flex + ist einfach klasse. Wir sind derzeit bei den Konsortialmeetings 33 Leute. Für jedes Fachthema gibt der richtige Experte / Insider im Projekt das komplexe Thema an. Für das nächste Mal kostenlos ist es auch eine sehr gute Arbeit in einem Projektabschluss in einem Jahr 2021. 

Spreitzhofer: Dem kann ich mich nur anschließen - es ist sehr spannend, gerade jetzt Forscherin in der Energietechnik zu sein. Der klimawandel ist ja aktuell mehr denn je in der medienpräsentation und ein thema, das alles direkt mit einigem in verbindung steht. Um unsere Klimaziele zu erreichen, wird es auch in den nächsten Jahren noch einiges zu tun geben. Ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit auch einen kleinen Teil dazu beitragen kann, das zukünftige Energiesystem nachhaltiger und grüner zu gestalten.

 

femOVEaktuel l: Und noch eine abschließende Frage:

Esterl: Ich gehe gerne klettern und ab und zu ins Fitnessstudio, um körperlich fit zu bleiben und einen Ausgleich zu finden. Bei späteren Spaziergängen mit Freunden entwickle ich gerne neue Ideen. Auf der Suche nach einer passenden Wohnung habe ich in den letzten Jahren Wien und die Wiener Umgebung viel besser kennen und schätzen gelernt.

Spreitzhofer: In der Freizeit betätige ich mich gerne kreativ. Ich bin zum Beispiel Tanzen und habe immer wieder Näh- und Bastelprojekte, an denen ich arbeite. Yoga ist für mich auch sehr wichtig - das hilft beim Entspannen. Am liebsten mache ich das gleich in dem frühen nach dem Aufstehen - also bin ich unter Tags viel fokussierter und gelassener.

 

femOVEaktuell: Vielen Dank für das sehr interessante Gespräch!

( Das Projekt Flex + wird im Energieforschungsprogramm des Klima- und Energiefonds gefördert)