Interview mit Dipl.-Ing. Gudrun Polzhofer-Girstmair

Freude am "Organisieren"

Die studierte Elektrotechnikerin Dipl.-Ing. Gudrun Polzhofer-Girstmair ist nach anfänglicher Assistententätigkeit an der TU Graz seit 1997 bei den ÖBB beschäftigt, wo sie im Laufe der Jahre einen profunden Einblick in die unterschiedlichsten Bereiche gewinnen konnte. Derzeit ist die Mutter zweier Mädchen in der strategischen Infrastrukturentwicklung tätig. Mit femOVE sprach sie über ihren Karriereweg, über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, über den Mut zu „ungewöhnlichen“ Berufen sowie über ihre Motivation, Teil des Netzwerkes femOVE zu sein.

 

femOVE aktuell:Frau Dipl.-Ing. Polzhofer-Girstmair, in unserer letzten Ausgabe von femOVE aktuell haben wir die Reihe „Im Gespräch mit…“ mit Dipl.-Ing. Angelika Straka, einer Berufseinsteigerin im Bereich der Elektrotechnik, begonnen. Auch Sie sind studierte Elektrotechnikerin, haben allerdings den Karriereeinstieg schon hinter sich und stecken alsExpertin im Bereich technische Entwicklung bei der ÖBB Infrastruktur AG mitten drin im Arbeitsalltag. Mit welchen Aufgaben sind Sie konkret betraut?

Dipl.-Ing. Gudrun Polzhofer-Girstmair: Ich bin derzeit im Bereich der strategischen Infrastrukturentwicklung tätig, arbeite an eigenen Projekten und unterstütze Kolleginnen und Kollegen in elektrotechnischen Fragen in ihren Projekten. Bei der Infrastrukturentwicklung bin ich auch Ansprechpartnerin für Elektrotechnik. Wir betreuen hier langfristige Projekte für das künftige ÖBB-Netz, das heißt, wir planen also Anlagen für die nächsten Generationen.

 

femOVE aktuell:Ihrem Lebenslauf ist zu entnehmen, dass Sie im Anschluss an Ihr Studium der Elektrotechnik an Ihrer Alma Mater, der TU Graz, als Assistentin beschäftigt waren. 1997 wechselten Sie dann zu den ÖBB. Was bewog Sie damals, die Universitätskarriere hinter sich zu lassen und eine Laufbahn in der Wirtschaft anzusteuern?

Polzhofer-Girstmair:Nach einigen Jahren bin ich zur Erkenntnis gekommen, dass Forschung und Lehre nicht unbedingt meine größten Stärken sind. Mir macht „Organisieren“ in allen Aspekten einfach Spaß, und es ist auch eine meiner Stärken, also habe ich meinen Mut zusammengenommen und bin von Graz nach Villach übersiedelt, um etwas Neues zu beginnen. Diese Entscheidung habe ich nie bereut, die ÖBB ist ein großes Unternehmen mit verschiedensten Einsatzmöglichkeiten für Technikerinnen. Ich war in unterschiedlichsten Bereichen tätig, sowohl in technischen Abteilungen als auch in rein strategischen Bereichen wie dem Change Management. Diese Vielfalt erweitert den Blickwinkel, und die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, erleichtern mir den Arbeitsalltag ebenso wie die geknüpften Kontakte.

 

femOVE aktuell:Sie sind Mutter zweier Kinder – die beiden Schwangerschaften und Geburten fielen bereits in Ihre Karriere bei den ÖBB. Wie schafften Sie es damals und wie schaffen Sie es heute, Ihren Beruf und den Alltag mit Kindern zu vereinen?

Polzhofer-Girstmair: Mir hat mein Job immer Spaß gemacht, deshalb wollte ich ihn nie aufgeben. Die Elektrotechnik ist ein sehr dynamischer Bereich, deshalb sind für mich lange Auszeiten nicht in Frage gekommen. Zu schaffen ist das mit einer verständnisvollen Führungskraft, unterschiedlichen Stufen der Teilzeit, flexiblen Arbeitszeiten und guter Organisation. Am wichtigsten sind aber familieninterne Teamarbeit, Unterstützung vom Ehepartner und Verständnis von Partner und Kindern. Bei uns wird halbe-halbe wirklich gelebt, meine Töchter sind mit einer berufstätigen Mutter aufgewachsen, sind es also gewohnt, wenn ich nicht immer „da“ bin. An dieser Stelle herzlichen Dank an meinen Mann Thomas und meine Töchter Birgit und Agnes, die (meistens) brav sind.

 

femOVE aktuell:Ihre Töchter sind nun 9 Jahre und 13 Jahre alt. Haben Sie als Technikerin bisher besonderen Wert darauf gelegt, das technisch-naturwissenschaftliche Verständnis und Interesse im Rahmen der Erziehung zu fördern?

Polzhofer-Girstmair:Ganz ehrlich: Bei meiner älteren Tochter habe ich das ganz massiv versucht. Ich habe ihr eher Autos als Puppen gekauft; das Pendel ist dann völlig in die andere Richtung ausgeschlagen. Ich habe dann zurückgesteckt und sie nicht weiter gedrängt, mit dem Ergebnis, dass sie dann plötzliches Eigeninteresse an Technik gezeigt hat. Natürlich haben meine Kinder einen anderen Zugang zur Technik, da sie sich ja für den Beruf der Eltern interessieren und so einiges mitbekommen. In der Zwischenzeit fördere ich ihre technischen Interessen, soweit sie vorhanden sind, setze sie aber nicht mehr unter Druck.

 

femOVE aktuell:Gab es für Sie selbst ein Schlüsselerlebnis, das Sie zu Ihrem Ausbildungs-/Berufsweg motivierte, oder war für Sie immer klar, dass Sie in die technische Richtung gehen würden?

Polzhofer-Girstmair: Es gab nicht wirklich ein Schlüsselerlebnis. Bei einem Berufseignungstest wurde mir technisches Talent bescheinigt, Mathematik und Physik waren Lieblingsgegenstände in der Schule, und im Endeffekt haben die Berufsmöglichkeiten den Ausschlag gegeben, dieses Studium zu wählen.

 

femOVE aktuell:Was würden Sie – mit Ihrem beruflichen Hintergrund und Ihrer heutigen Lebenserfahrung – Jugendlichen allgemein und jungen Mädchen im Speziellen für deren Zukunft raten?

Polzhofer-Girstmair: Ich würde ihnen ans Herz legen, auch „ungewöhnliche“ Berufe in Betracht zu ziehen. Wichtig ist, dass man sich selbst etwas mehr zutraut und manchmal einfach nur mutig ist. Es gehört tatsächlich Mut dazu, als eines von wenigen Mädchen einen Hörsaal voller Burschen zu betreten. Man darf sich auch durch Vorurteile nicht vom Ziel abbringen lassen.

 

femOVE aktuell:Und wenn wir schon bei den guten Ratschlägen für die junge Generation sind: Gibt es Tipps, die Sie Absolventinnen technischer Studienrichtungen sowie Fachexpertinnen für deren Karriereplanung mit auf den Weg geben können?

Polzhofer-Girstmair: Auch hier gilt: Man muss sich etwas zutrauen und man muss etwas versuchen. Natürlich gibt es nicht nur Erfolge, es wird auch Misserfolge geben, aber aus denen lernt man ja. Man soll seine Ziele verfolgen, aber nicht zu verbissen vorgehen und sich bei einem unbefriedigenden Umfeld nach anderen Möglichkeiten umsehen. Meine Erfahrung zeigt auch, dass man mit einer guten Ausbildung mehr Möglichkeiten hat, seinen Berufsalltag zu gestalten, und damit erreicht man Spaß an der Arbeit und meistens auch die Flexibilität, die benötigt wird, um Beruf und Familie zu vereinbaren.

 

femOVE aktuell:Seit der Gründung von femOVE bringen Sie sich aktiv in die Frauenplattform des OVE ein. Was motiviert Sie, zusätzlich zu einem ausgefüllten Alltag mit Beruf und Familie in einem Netzwerk wie femOVE aktiv zu sein?

Polzhofer-Girstmair: Das war ganz einfach: Michaela Leonhardt hat mich angerufen, wir haben uns in Wien getroffen und uns sofort gut verstanden. Die Mitarbeit bei femOVE ist für mich keine zusätzliche Belastung, es macht mir Spaß dort mitarbeiten zu dürfen und zeigt mir, dass alle die gleichen Herausforderungen zu meistern haben. Der Austausch mit Gleichgesinnten erweitert den Horizont – und vielleicht schaffen wir es damit doch, die Anzahl der Elektrotechnikerinnen zu erhöhen. Das ist für mich ein persönliches Anliegen.

 

femOVE aktuell:Wie schaffen Sie in Ihrer spärlichen Freizeit Ausgleich zum Arbeitsalltag?

Polzhofer-Girstmair: Mit zwei Töchtern hat man nicht viel Zeit, zu Hause über die Arbeit zu grübeln – die Mädels fordern die Aufmerksamkeit einfach ein. Die Familie ist ein guter Ausgleich zum Arbeitsalltag. Beim Segeln – inzwischen segelt die ganze Familie – erholen wir uns als Familie ganz schnell. Da ist ruhiges und überlegtes Vorgehen gefragt, und damit ist der Berufsstress schnell vergessen.