Interview mit Dipl.-Ing. (FH) Martina Szabo

Die beste Schule, etwas zu lernen, ist es zu tun!

Nach wirtschaftlicher Ausbildung an einer HLW entschloss sich Dipl.-Ing. (FH) Martina Szabo zum Studium der Produktions- und Automatisierungstechnik an der Fachhochschule Wien. Schon früh wusste sie, dass auch Frauen in technischen Berufen Erfolg haben können, so lange sie stets ihren Interessen folgen. Mit femOVE sprach sie über Herausforderungen, Diversität als Element der Unternehmenskultur, gelebte gesellschaftliche Realität sowie über die Bedeutung von Networking.

femOVEaktuell: Frau Dipl.-Ing. (FH) Szabo, nach der Hauptschule führte Sie Ihr weiterer Weg an die Höhere Lehranstalt für Wirtschaft (BHS). Nach der Matura haben Sie beschlossen, Produktions- und Automatisierungstechnik an der FH Wien zu studieren. Wie kam es zu diesem Schwenk von der Wirtschaft hin zur Technik?

Dipl.-Ing. (FH) Martina Szabo: Mit 14 Jahren war mir noch nicht klar, welchen Beruf ich später ausüben möchte. Aus Mangel an gebotenen Optionen begann ich eine Ausbildung an der Höheren Lehranstalt für Wirtschaft, wo mir allerdings schnell bewusst wurde, dass ich nicht in einem „klassischen HLW-Beruf“ – wie etwa als Köchin, Kellnerin oder Sachbearbeiterin – arbeiten möchte. Dieses Rollenbild konnte und wollte ich schon damals nicht erfüllen! Jedoch fiel es mir schwer, die begonnene Ausbildung abzubrechen, also blieb ich bis zum Ende und schloss mit Matura ab.
In meiner Freizeit beschäftigte ich mich während der ganzen Zeit gerne mit Technik und Naturwissenschaften, insbesondere mit Astronomie.

 

femOVEaktuell: Das heißt, dass der Gedanke, in eine technische Richtung zu gehen, Zeit zu reifen hatte… Wie ging Ihr Umfeld mit Ihrer Entscheidung um?

Szabo:Meine Entscheidung, ein technisches Studium zu beginnen, war für meine Eltern eher ein Schock als eine Überraschung. Um Geld für meine weitere Ausbildung zu verdienen, ging ich zuerst ein Jahr lang arbeiten. Nach absolviertem Aufnahmeverfahren begann ich mein Studium für Produktions- und Automatisierungstechnik an der FH, welches ich 2003 erfolgreich abgeschlossen habe.

 

femOVEaktuell: Was hat das Technik-Studium für Sie besonders gemacht?

Szabo: Die Kombination aus Theorie und praxisnahem Wissen war für mich optimal! Schon bald habe ich erkannt, dass mich die Mikroelektronik am meisten interessiert und habe auch deswegen meine Praktika bei Austrian Aerospace gewählt. Ein Praktikum zu absolvieren, sehe ich bis heute als die bestmögliche Vorbereitung auf das bevorstehende Berufsleben.

 

femOVEaktuell: Direkt im Anschluss an Ihr Studium starteten Sie 2003 Ihre berufliche Karriere bei Kapsch Components GmbH & Co KG und sind dem Unternehmen bis heute treu geblieben. Wie würden Sie Ihren Berufseinstieg als junge Frau in der Technik aus heutiger Sicht beschreiben?

Szabo: Kapsch bietet als eines der erfolgreichsten Technologieunternehmen spannende Aufgaben in den Geschäftsfeldern Traffic, Communications, Netzwerke und IT. Ich habe meine Herausforderung in der Kapsch Components gefunden: Kapsch Components macht beides, Produktion von elektronischen Baugruppen und Systemen und Logistik. Ich bin für die Produktion verantwortlich. Natürlich hatte ich anfangs Bedenken, wie ich als Frau in dem eher männerdominierten Bereich aufgenommen werde, doch es war sehr positiv. Diversität ist in der Kapsch-Kultur ein wesentliches Element und wird im Arbeitsprozess auch wirklich gelebt.

 

femOVEaktuell: 2008 wurden Sie unternehmensintern mit der Übersiedelung der Produktionsstätte beauftragt. Mit welchen Herausforderungen waren Sie dabei konfrontiert?

Szabo: Ich war Teil des Projektteams, welches die Übersiedelung der Produktion an einen neuen Standort zu bewältigen hatte. Gemeinsam mit den verantwortlichen Abteilungsleitern galt es für mich, das neue Layout der Produktionshalle zu planen und den Produktionsprozessen samt Maschinen und Anlagen einen klaren Aufbau zu geben, um einen optimalen Prozess- und Warenfluss sicherzustellen. Die große Verantwortung, diesen Plan unter Zeitdruck in die Realität umzusetzen, war für mich eine sehr lehrreiche und absolut positive Erfahrung.

 

femOVEaktuell: Seit 2014 sind Sie nun als Leiterin der Produktion tätig. Welche Aufgaben prägen Ihren Arbeitsalltag heute?

Szabo: Am Standort Wien produziert Kapsch Components hochwertige elektronische Produkte für die Telekommunikation, Telematik und industrielle Elektronik. Die Realisierung erfolgt entweder mit hochautomatisierten Lösungen für große Stückzahlen oder flexibel bei der Produktion mittlerer Stückzahlen. Ich bin für die Mitarbeiter der Produktion verantwortlich, für die Planung, Strukturierung und Optimierung der Produktionsabläufe und Prozesse. Im Vordergrund steht die Optimierung der Faktoren Qualität, Kosten und Zeit. Das Erstellen von Ressourcen-Einsatzplänen, die Kapazitätsplanung oder die Investitionen von neuen Anlagen und Maschinen gehören ebenfalls zu meinen Aufgaben.

 

femOVEaktuell: Das klingt sehr spannend…

Szabo:… ist es auch! Hochinteressant finde ich derzeit vor allem die Digitalisierung der Produktion sowie alles rund um das Thema „smart factory“. Hier konnten wir schon Einiges erfolgreich umsetzen.

 

femOVEaktuell: Während des Studiums eignet man sich eine Fülle von Fachwissen an, vieles, was man im Berufsalltag braucht, lernt man aber auch erst „on the job“...

Szabo: Das Studium gibt einem das notwendige Basiswissen mit. Jedoch die beste Schule, etwas zu lernen, ist es zu tun! Genauso soll Lernen sicher nicht bei der abgeschlossenen Ausbildung enden – „lebenslanges Lernen“ lautet mein Motto! Aktuell gibt es viele moderne Technologien, mit welchen ich mich vertiefend auseinandersetze: Digitalisierung, Systeme, die selbstständig lernen und „Internet of Things“ sind nur einige Beispiele.

 

femOVEaktuell: Müssen Frauen, Ihrer Meinung nach, für ihren beruflichen Erfolg härter arbeiten als ihre männlichen Kollegen?

Szabo: Ich persönlich habe mich in meiner beruflichen Laufbahn immer fair und gleich behandelt gefühlt. Meine Qualifikation und die erbrachte Leistung haben stets die vorrangige Rolle gespielt. Gesellschaftliche Realität ist jedoch, dass ein „gender pay gap“ in den meisten Bereichen existiert und dass Österreich zu jenen Ländern der EU zählt, in denen der geschlechtsspezifische Verdienstunterschied am höchsten ist.

 

femOVEaktuell: Technikern wird oft nachgesagt, dass sie auch gerne Tüftler und Bastler sind. Wie sieht es mit diesen Eigenschaften bei Technikerinnen aus?

Szabo: Ich glaube schon, dass ein großes Maß an Neugier sowie das Interesse, wie etwas funktioniert, zu den Eigenschaften einer Technikerin oder eines Technikers gehören. Auf der diesjährigen „Maker Faire“ in Wien – der Messe für Basteln, Experimentieren und Reparieren – war für mich stark zu erkennen, dass Mädchen genauso viel Spaß am Experimentieren und Reparieren hatten wie die Burschen.

 

femOVEaktuell: Netzwerken – in aller Munde und in vielen Bereichen immens wichtig. Welche Rolle spielt Networking in Ihrem Job?

Szabo: Wegen des internen Erfahrungsaustauschs ist für mich insbesondere das Vernetzen mit anderen Kolleginnen sehr wichtig. Die firmeneigene Initiative Women@Kapsch organisiert Netzwerktreffen und Trainings für Frauen und schafft eine Internetplattform, um den Austausch auch international zu unterstützen. Das finde ich wirklich gut!

 

femOVEaktuell: Ein weiteres oft gehörtes Schlagwort ist „Work-Life-Balance“. Verraten Sie uns, wie Sie in Ihrer Freizeit „abschalten“?

Szabo: Meinen Ausgleich zum Beruf finde ich vor allem in der Natur. Mein großes Hobby Bogenschießen bildet für mich den idealen Ausgleich zum oft recht stressigen Alltag.

 

femOVEaktuell: Vielen Dank für die Einblicke in Ihren Werdegang und in Ihren beruflichen Alltag. Abschließend noch eine Frage: Welche Ratschläge und Tipps würden Sie technikaffinen jungen Mädchen geben?

Szabo: Ich denke, mein Werdegang zeigt recht gut, dass man auch einige Umwege gehen kann, bis man den Traumberuf findet. Jungen Mädchen möchte ich vor allem Mut zusprechen und ihnen mitgeben, sich nicht durch gesellschaftliche Konventionen daran hindern zu lassen, das zu tun, was sie wirklich interessiert!